Wo waren eigentlich die Engländer?
Bei den Einzel-Europameisterschaften, die vom 4. bis 7. Juli 2014, im nordfranzösischen Valenciennes stattfanden, waren in den Viertel-Final-Begegnungen der Herren, fünf der acht Spieler aus Frankreich, ein Niederländer, ein Schweizer und ein Deutscher. Bei den Damen waren es drei Französinnen, zwei Tschechinnen, eine Schweizerin, eine Spanierin und eine Dänin.
„Es ist eine Schande“!
Nun könnte man berechtigterweise die Frage stellen, warum eigentlich keine Engländer am Start waren. Diese kann man doch als die stärkste Squash-Nation Europas, nach fünffachem Gewinn der World Team Championships, vieleicht sogar der Welt bezeichnen. Von den Top-50-Spieler der Herren-Weltrangliste sind 20 aus Europa. Von diesen 20 waren, mit Ausnahme des Spaniers Borja Golan (WRL 7), acht Europäer bei der Einzel-EM am Start. Es fehlten, neben Golan, allerdings zehn Engländer und ein Schotte, der Besten 30 europäischen Spieler der Weltrangliste. „Es ist eine Schande“, sagte der Präsident des Französischen Squash Verbands (FFS) und Vizepräsident des Europäischen Squash Verbands (ESF), Jacques Fontain. Doch was sind die Gründe für das Fernbleiben?
Commonwealth Games!
Lag es vielleicht an den Vorbereitungen für die Commonwealth Games (CWG), die vom 24. Juli bis 3. August, im schottischen Glasgow stattfinden? Dort tritt England im Einzel mit Nick Matthew (WRL 2), James Willstrop (WRL 6), Peter Barker (WRL 8) und Daryl Selby (WRL 10) an, im Doppel kommt noch Adrian Grant (WRL 23) hinzu. Bei den Damen sind Laura Massaro (WRL 2), Alison Waters (WRL 6), Jenny Duncalf (WRL 15), und Emma Beddoes (WRL 20) nominiert. Angesichts der Tatsache, dass es noch weit über einen Monat bis dahin ist, erscheint dies als nicht wahrscheinlicher Grund für die Abstinenz zu sein. Doch genau diese CWG waren der offizielle Grund für die Nichtendsendung der englischen Topspieler. Selbst wenn man das so hinnehmen würde, gäbe es noch genügend wettbewerbsfähige Engländer aus der zweiten Garde, die nicht für die CWG nominiert sind.
Engländer dominieren Team-EM!
Weiter fragt es sich, warum die Engländer die Einzel-Europameisterschaften meiden, obwohl sie die Team-Europameisterschaften bislang dominierten: Sie gewannen insgesamt 39 Team-EM-Titel der Herren und 35 bei den Damen.Vor diesem Hintergrund bleibt es schleierhaft, warum nicht ein einziger Engländer bei Einzel-EM in Valenciennes antrat.
Was ist mit Olympia?
Man muss wohl eingestehen, dass es für Profis nicht einfach ist, ein Turnier ohne Preisgeld und ohne Weltranglisten-Punkte zu spielen. Insbesondere wenn der Europäische Squash Verband schon Angebote von namhaften Veranstaltern hatte, das Event zu übernehmen und auch mit Preisgeld auszustatten. Grund für die Absage an die Veranstalter war, dass man das Event nur an Nationen vergäbe, nicht an professionelle Veranstalter.
Somit mag das nichtvorhandene Preisgeld ein Grund sein. Aber ist das in anderen Sportarten nicht auch manchmal so? Ist es nicht eine vielzitierte Ehre für das eigene Land antreten und dessen Farben tragen zu dürfen? Zumindest liest es sich so in der CWG-Vorschau der Engländer. Im Übrigen gibt es bei den CWG auch kein Preisgeld.
Vor Allem ist es in Zeiten, in denen alle wehklagen – ganz besonders England –, dass Squash nicht olympisch sei, ein wichtiges Zeichen, das dem IOC signalisieren würde, seht her, die Squash-Verbände und deren Events funktionieren? Das scheint dem englischen Verband wohl in diesem Falle nicht so wichtig zu sein. Allerdings kann man wohl Wetten darauf abschließen, das die Engländer beim nächsten Olympia-Gejammer wieder ganz vorn und ganz laut mit dabei sind.
Allerdings könnte man bei dem Spektakel, das um die Commonwealth Games veranstaltet wird, auch leicht den Eindruck bekommen, dass die Briten dieses Event derart zelebrieren, weil es sie ein wenig an ihre Kolonial-Herrschaft zurückerinnert.