Fußball hinkt Squash Jahre hinterher!
Was im Squash-Sport schon längst Normalität ist, sorgt beim Fußball derzeit für enormen Ärger: der Videobeweis – in der PSA World Tour „Video Review” genannt. Doch was sorgt in der Fußball-Bundesliga für Verstimmungen, ist es die Technik oder die Umsetzung durch ihre Anwender?
Kaum ist der Videobeweis im Fußball da, soll er auch schon wieder weg…
Im Fußball scheinen die Uhren ein wenig anders zu ticken, als in anderen Sportarten. Lange Zeit wehrte man sich gegen den Einsatz neuer Methoden. Man denke nur an die Torlinien-Technologie, die lange Zeit von der FIFA nicht zugelassen wurde. Auch im nationalen Fußball-Geschehen wurde zuletzt oft angeführt, die Tatsachen-Entscheidung gehöre zum Fußball dazu – und damit wohl auch die Fehlentscheidungen. Diente das dazu, dass an deutschen Stammtischen die Diskussions-Themen nicht ausgehen sollten?
Kaum hatte man sich für die Einführung des Video Assistenten entschieden, stand er auch schon wieder in der Kritik. Ist das technologische Hilfsmittel selbst, dessen Einsatz oder die Umsetzung beziehungsweise Anwendung der Technologie dabei der Grund des Anstoßes?
Der Video Referee in der World Tour der PSA
Im deutschen Ligaspielbetrieb gibt es einen Schiedsrichter, der die Let-Situationen bewertet und entscheidet und optional noch einen „Marker“, der für das Anzeigen von Bällen, die aus, tief oder doppelt sind, und für die Ansage zuständig ist. In der World Tour der Professional Squash Association (PSA) gibt es verschiedene Schiedsrichter-Systeme. Mit den gerade beschriebe zwei Schiedsrichtern, mit dreien, die zusammen per Mehrheits-Entscheid die Let-Situationen bewerten und seit vergangenem Jahr mit nur einem Referee und einem Video Referee.
Hier saß bei den Qatar Classic der Video Referee
Der Video Referee wird seit mehreren Jahren bei den großen Turnieren, bei denen PSA SquashTV Live-Übertragungen anbietet, ein zusätzlicher Unparteiischer eingesetzt. Er betrachtet auf Verlangen eine Szene, sei es eine Let-Situation oder ob ein Ball doppelt aufsprang, am Bildschirm aus verschiedenen Kamera-Perspektiven. Seine Entscheidung ist endgültig.
Auf Verlangen heißt, dass jeder Spieler pro Satz einmal die Möglichkeit hat, eine Review zu fordern – im Falle eines Tiebreaks bekommt jeder eine weitere dazu. So oder so ähnlich läuft es in vielen anderen Sportarten, man denke an die „Player Challenge“ im Tennis oder die „Instant Replay“ im American Football. In zahlreichen Sportarten gibt es eine Instanz, die mit Hilfe der technischen Möglichkeiten versucht, möglichst gerechte Entscheidungen zu treffen.
„Seit der Einführung der Videotechnologie im Jahr 2011, bei den meisten Events der World Tour mit PSA SquashTV, können wir eine deutliche Zunahme der korrekten Entscheidungen bei den Matches verzeichnen”, sagt Lee Beachill, Geschäftsführer der PSA. „Der Standard des Schiedsrichterwesens hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert und wir glauben, dass die Einführung der Videotechnologie dazu beigetragen hat.
Was ist eine korrekte Entscheidung?
Stellt man sich die Frage nach der Gerechtigkeit der Schiedsrichter-Entscheidungen im Sport, könnte man schnell ins Philosophische abdriften. Eines wollen sicherlich alle Beteiligten: Entscheidungen im Sport sollen korrekt, auf Grundlage der Tatsachen möglichst Regelkonform entschieden werden – ist das wirklich so?
Woran liegt es dann aber, dass diese scheinbare Selbstverständlichkeit so schwierig in die Realität umzusetzen ist? An der Wahrnehmung der Spielsituationen, an der Gerissenheit und der Missbrauchsgefahr durch die Spieler oder an der Bedeutsamkeit der einzelnen Entscheidungen? Am wahrscheinlichsten liegt es wohl an der Einschätzung der Situationen, deren Interpretation und Regelauslegung durch einen oder mehrere Menschen.
Man könnte also zum Schluss kommen, es liege an den beteiligten Menschen. Denn eine in diesem Zusammenhang wohl entscheidende Frage ist, will man möglichst objektive Entscheidungen oder will man am Ermessensspielraum der Referees festhalten, die damit auch steuernd – quasi erzieherisch – eingreifen können um den Missbrauch der Regeln einzudämmen oder zu vermeiden.
Das kann Fluch und Segen gleichermaßen sein. Man denke nur an die Entscheidung des bekannten World Referees John Massarella im jüngst stattgefundenen Finale der US Open, zwischen Mohamed Elshorbagy (EGY, WRL 3) und Ali Farag (EGY, WRL 4). Man kann wohl sagen diese, mittlerweile allerseits, selbst von den Referees selbst, als Fehlentscheidung angesehene, spielentscheidend ins Finale eingewirkt hat. Damit hat der entscheidende Mensch erheblich in den Spielausgang eingegriffen – und er konnte nicht mal vom Video Ref unterstützt werden, denn entscheidet er ohne technische Hilfe auf Strafpunkt, gibt es bisher keine Einspruchs-Möglichkeit des Spielers.
Störfaktor Mensch
Der Mensch wird ja mittlerweile in vielen Bereichen als der Hauptverantwortliche vieler Ärgernisse angesehen. Man denke nur ans „Autonome Fahren“, also dem „selbstfahrenden Auto“. Das wird von Verkehrs-Visionären mittlerweile als die Lösung der Stau-Problematik schlechthin angesehen. Von den Kritikern hingegen als Horror-Szenario und Einschränkung der persönlichen Freiheit.
Auch im Squash wird an Methoden geforscht. So gibt es von interactiveSquash, die Verbindung aus interaktivem Trainingsgerät, mit Trainings- und Analyse-Programmen, und digitaler Spielewelt, bald ein sogenanntes „Video Tracking System“. Damit wird jede Bewegung im Court, vom Ball und den Spielern, aufgezeichnet. Ein solches Tool soll dem Training dienen. Vielleicht sollte man das auch den Video-Referees als technische Hilfe zur Verfügung stellen.
Geht man noch einen Schritt weiter, mutet es an, wie ein futuristischer Science-Fiction-Thriller. Wird Artifizielle Intelligenz (AI), also künstliche Intelligenz von Computern, irgendwann ganz den Schiedsrichter ersetzen? Für den einen wohl sicherlich ein Traum, für andere beklemmende Zukunfts-Perspektive.