Karim Abdel Gawad PSA World Champion 2016!
Karim Abdel Gawad (Bild re, EGY, WRL 3) ist World Champion 2016! Im Finale der mit 325.000 US Dollar dotierten Men’s Wadi Degla PSA World Championship 2016, in Kairo, setzt sich der Ägypter gegen seinen Landsmann Ramy Ashour (Bild li, WRL 10) durch, der im vierten Satz verletzungsbedingt aufgab.
„Manchmal kann man die Art und Weise, wie das Universum funktioniert, nicht verstehen…“
Sagte Ramy Ashour, für den es im Finale der World Championship 2016, nach einer Verletzung im Adduktorenbereich nicht mehr weiter ging, nach dem Match. Als es beim Stande von 1:2 nach Sätzen und 1:1 im vierten Satz wieder einmal passierte und er sich nach einem Schritt an den Oberschenkel griff, zuckte die gesamte Squash-Welt mit ihm zusammen und Ashour musste die ihm zustehende dreiminütige Behandlungspause nehmen. Nach Ablauf der drei Minuten wurde dem Referee signalisiert, dass er das Match nicht wieder aufnehmen werde.
Verhaltener Applaus. Kein Jubel beim Sieger. Er ging geradewegs in die Ecke des Verletzten, um sich nach dessen Befinden zu erkundigen, der hatte sich mit seinen Physios zurückgezogen. Erst als Gawad wieder zurückkam, ließ er eine Spur Freude erkennen. Freude über den größten Erfolg in seiner bisherigen Karriere: Er ist World Champion 2016!
Gawad ist verdienter World Champion und kein Überraschungs-Sieger!
Das Ende des Finales war nicht nur für „The Artist“, sondern für die gesamte Squash-Welt schmerzhaft und wahrscheinlich hätte sich jeder ein anderes Ende gewünscht. Wer aber der Ansicht ist, Gawad sei alleine wegen Ashours Verletzung zum World Champion geworden, denkt zu kurz und verkennt seine jüngste Entwicklung. Im vergangenen Jahr spielte Gawad seine bisher beste Saison.
Im November 2015 war er mit Position zehn der Weltrangliste erstmals in der Top Ten der Professional Squash Association (PSA). Im vergangenen Februar gewann er mit den Swedish Open 2016 (PSA M70, Linköping) sein bis dahin größtes Turnier. Bei den diesjährigen British Open (PSA M-WS, Hull) erreichte er dann erstmals ein Halbfinale eines World-Series-Turniers. Bei den Hong Kong Open (PSA M-WS) folgte dann anschließend die erste World-Series-Finalteilnahme. Vor sechs Wochen gewann er schließlich mit den Al-Ahram-Open (PSA M100) nicht nur sein höchstdotiertes-, sondern auch eines der traditionsreichsten Turniere der Welt, in seinem Heimatort, direkt vor den Pyramiden von Gizeh.
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der Squash-Kommentator, der ehemalige Weltranglistevierte Paul „PJ“ Johnson zu Beginn des Turniers ihn ganz oben auf seiner Liste der Favoriten nannte. Dennoch hatte Gawad einen holprigen Start in die World Championship. Drei Mal musste er über die volle Distanz von fünf Sätzen gehen. In Runde eins lag er gegen den Qualifikanten Nathan Lake (ENG, WRL 74) bereits mit 0:2-Sätzen zurück, bevor er das Match noch an sich riss.
In Runde zwei benötigte er für seinen Landsmann Mohamed Abouelghar (WRL 21) wiederum fünf Sätze und eineinhalb Stunden, um weiterzukommen. In Runde drei setzte er sich dann gegen Max Lee (HKG, WRL 17) in vier Sätzen durch. Im Viertelfinale überwand er den an Position vier gesetzten dreifachen Titelträger Nick Matthew (ENG, WRL 5), überraschend deutlich, in drei Sätzen. Im Halbfinale kam es dann zum epischen Jahrhundert-Match mit dem topgesetzten Weltranglistenersten Mohamed Elshorbagy, das auch noch über fünf Sätze und 90 Minuten ging.
Ashour gelangte geschmeidiger durchs Turnier. Sowohl im Auftakt-Match gegen Tod Harrity (USA, WRL 45) als auch in Runde zwei mit Stephen Coppinger (RSA, WRL 23) machte er zunächst jeweils in drei Sätzen kurzen Prozess. Erste ernstzunehmende Gegenwehr leistete dann Daryl Selby (ENG, WRL 19) in Runde drei und wurde mit einem Satzgewinn belohnt. Das Viertelfinale war dann ein bisschen – sagen wir einmal haariger. Fares Dessouky (EGY, WRL 18) stellte Ashour ein ums andere Mal vor ernsthafte Probleme, aber es gehört wohl zu den Privilegien einer lebenden Legende, dass er manchmal auch die Gunst der Götter in Form der Mithilfe der Schiedsrichter auf seiner Seite haben soll. Im Halbfinale kam er letztlich wegen des verletzungsbedingten Ausfalls des Titelträgers Greg Gaultier (FRA, WRL 2) kampflos weiter. Und somit stand Ashour – wie von so vielen Menschen weltweit erhofft schließlich zum fünften Mal im Finale der World Championship.
Im Endspiel hatte der dreifache World Champion den besseren Start. Er verteilte gewohnt sicher die Bälle, beherrschte das Spielgeschehen und entschied Satz eins für sich. Nach verlorenem ersten Durchgang, legte der 25-jährige Weltranglistendritte aber seine Anfangs-Nervosität ab und fand mehr und mehr zu seinem Spiel. Er setzte seinen 29-jährigen Landsmann mit sehr präzisem Grundspiel und ebenso genauen Angriffs-Bällen dauerhaft unter Druck und spielte ihn ein ums andere Mal gekonnt aus. So gelang ihm dann der 1:1-Satzausgleich.
Der dritte Satz war deutlich von Ashours Bemühungen geprägt, seinen Gegner und das Spiel wieder in den Griff zu bekommen. Diese blieben jedoch zunächst vergeblich, denn Gawad erhöhte auf 2:1 nach Sätzen. Im vierten Satz beim Stande von 1:1 brach Ashour schließlich den laufenden Ballwechsel ab. Er signalisierte dem Schiedsrichter, dass er eine Behandlung brauche und verließ den Court. Gawad tat es ihm zuerst gleich, kam dann aber nach kurzer Zeit zurück und hielt sich und den Ball warm. Schließlich verkündete der Schiedsrichter den Spielabbruch und erklärte Gawad zum Sieger, der daraufhin – wie bereits oben beschrieben – zu Ashour eilte.
„Natürlich fühle ich mit Ramy. Ich wünsche ihm eine schnelle Genesung. Er ist ein herausragender Vertreter unseres Sportes und wir brauchen ihn bei den Turnieren. Er ist eine Legende. Er ist so bedeutend für so viele Generationen und so viele Generationen lernten so viel von ihm, selbst ich tat das“, sagte Gawad, sichtlich berührt, nach dem Match. „Ich kann es bis jetzt noch gar nicht glauben. Es war eine lange Woche. Ich hatte keinen guten Start, aber ich denke alles in allem bot ich die gesamte Woche eine gute Vorstellung. Ich bin meinem Team zu Dank verpflichtet, die es mir nach dem Match gestern erst möglich machten, wieder in den Court zu kommen“.
Impressionen der gesamten World Championship 2016 sehen Sie in der iLoveSquash-Bildergalerie.