Team-EM – wo waren eigentlich die Schoors?
Die deutsche Herren-Nationalmannschaft spielte die Team-EM, vom 4. bis 7. Mai in Warschau, in einer etwas ungewöhnlichen Aufstellung. Statt der Wormser Jens und Carsten Schoor (Bild) spielten die Paderborner Lucas Wirths und Tobias Weggen. Jens Schoor hatte seit dem Jahre 2006 insgesamt acht Mal zum deutschen Team-EM-Aufgebot gezählt – die vergangenen vier Jahre holte er mit dem deutschen Team die Bronze-Medaille. Carsten Schoor hatte in den beiden vergangenen Jahren Einsätze bei der Team-EM. Beide waren zunächst auch im Aufgebot – doch dann plötzlich nicht mehr. Der squashnet.de-Redakteur Alexander Lukasch versuchte kurz vor der EM die Ursache für das kurzfristige Fernbleiben der Schoor-Brüder heraus zu bekommen.
Schoors sagen EM wegen persönlicher Gründe ab!
„Jens und Carsten haben ihren Verzicht (an der Teilnahme bei der EM, Anmerkung der Redaktion) mit einem Todesfall in der Familie und persönlichen Gründen begründet“, sagte Michael Zehe (Förderer und Manager der des Wormser Bundesliga-Teams) auf Nachfrage der squashnet.de-Redaktion zur kurzfristig geänderten Aufstellung des Herren-Teams. „Wir haben nach den persönlichen Absagen der Schoor-Brüder Lucas Wirths und Tobias Weggen bei den Herren nachnominiert“, lautete das Statement des Bundestrainers Oliver Pettke. Was war geschehen – sind die genannten Gründe tatsächlich die Ursache für den Rückzug der beiden Wormser Nationalspieler?
Ein Bundesliga-Spieltag im Januar in Brüggen!
Ende April diesen Jahres ging Jens Schoor ein Schreiben der Geschäftsstelle des Deutschen Squash Verbands (DSQV) zu. Darin wurde Jens Schoors Verhalten beim Bundesliga-Spieltag am 9. Januar in Brüggen als Ordnungswidrigkeit gerügt und mit einem Bußgeld geahndet. Was war geschehen?
In einem dem „Bescheid“ zugrundeliegenden Sachverhalt wird dargelegt, dass es an besagtem Spieltag, im Spiel zwischen P. Schweertmann und J. Schoor (Jens oder Jörg?) zu einer Beleidigung des Spielers J. Schoor durch den Schiedsrichter M. Gellings gekommen war. Gellings soll, nachdem er den Court nach einer Diskussion mit den Spielern verlassen hatte, Schoor mit den Worten „was ein Arschloch“ bedacht haben. Dies sei zunächst nur von Zuschauern, den Spieler-Kollegen und dem Oberschiedsrichter (U. Thäsler) zu vernehmen gewesen sein. Der Oberschiedsrichter habe nicht eingegriffen.
Nach Beendigung der Begegnung soll es dann zu einer Aussprache zwischen Schoor und Gellings gekommen sein, die in Handgreiflichkeiten, begangen durch Gellings, und einer nachfolgenden Beleidigung desselben durch Schoor mündeten. Nach der ausgesprochenen Beleidigung soll dann Gellings dem Spieler Schoor ein fast volles Glas Cola absichtlich ins Gesicht geschüttet haben. Dabei müsse Gellings das Glas wohl entglitten sein, denn es traf Schoor im Gesicht, unterhalb des rechten Auges. Als Schoor daraufhin zu Boden gegangen war, habe sich der Spieler T. Weber zwischen Gellings und Schoor geworfen, um seinen Mannschafts-Kollegen zu schützen. Gellings soll im folgenden Handgemenge Weber mehrfach beschimpft und fortdauernd provoziert haben. Weber soll dies mit der Aussage „halt’s Maul, sonst stopf ich es dir“ erwidert haben.
Keiner will zitiert werden, es gibt lediglich persönliche Meinungen, keine offiziellen!
Jens Schoor hatte nach den Vorfällen eine Rechtsanwältin damit beauftragt, Anzeige gegen Gellings zu erstatten. Die Beurteilung und eine etwaige Bestrafung des Verhaltens des Schiedsrichters Gellings und des Oberschiedsrichters Udo Thäsler seitens der Spruchkammer des DSQV ist der squashnet.de-Redaktion nicht bekannt, lediglich Aussagen ihres Vorsitzenden, die mit einem ausdrücklichen Verbot der Veröffentlichung einhergingen.
In einem Telefonat versuchte der stellvertretende Vorsitzende (laut DSQV-Internetseite) der DSQV-Spruchkammer, Alexander Korsch, dem squashnet.de-Redakteur die Entscheidung zu erklären. Der eigentliche Vorsitzende der Spruchkammer, Tom Kemcke, der einzige Jurist in der Spruchkammer, hielt sich aus der Sache komplett heraus. Er habe durch sein Amt als 2. Vorsitzender des Sportwerk Hamburg in einer Sache, die ein anderes Bundesliga-Team betrifft, einen Interessenkonflikt, erklärte Kemcke gegenüber squashnet.de. Schoor und Weber seien wegen unakzeptablen, unsportlichen Verhaltens zu bestrafen gewesen, so Korsch. Ein solches Verhalten sei von Profis nicht zu erwarten und nicht hinzunehmen. Am Ende des ausführlichen Gesprächs verbietet er die Wiedergabe alles Gesagten. Er werde lediglich schriftliche Anfragen beantworten. Einwendungen, die Handlungen Schoors und Webers seien doch nur wegen des vorangegangenen Verhaltens des Schiedsrichters Gellings geschehen, stießen auf Verständnislosigkeit.
Lennard Jessen, Spielleiter der Deutschen Squash Liga (DSL) erklärt in einem Telefonat, dass er, als spielleitende Stelle, und der restliche DSL-Vorstand sich einig waren, die Beurteilung der Vorfälle, wegen der Brisanz und der möglichen strafrechtlichen Relevanz, an die Spruchkammer des DSQV abzugeben.
Martin Ritter, 1. Vorsitzender der DSL, beantwortet die Anfrage von squashnet.de: „In Brüggen hat es ja wohl Vorfälle um mehrere Personen gegeben, die leider insgesamt kein gutes Bild auf die Sportart werfen. Da wir das Thema an die DSQV-Spruchkammer abgegeben haben und ich auch nicht persönlich vor Ort war, habe ich zu Details auch nur meine persönliche und nichtoffizielle Meinung.“
Der Schiedsrichter-Obmann des DSQV, Willi Eickworth, lässt die E-Mail-Anfrage der squashnet.de-Redaktion zu den Vorfällen unbeantwortet. Er versuchte zwar vor einigen Tagen die Redaktion anzurufen, ist aber momentan telefonisch nicht zu erreichen.
Volker Bernardi, Pressesprecher des DSQV, ließ in einer ersten Reaktion auf die Anfrage der squashnet.de-Redaktion, dieser zunächst einen Link zur Pressemitteilung des DSQV zukommen. Immerhin schon mal was, die letzten Anfragen ließ er schlicht unbeantwortet. In einer zweiten E-Mail verkündete er dann: „Da es absolut nicht zielführend ist, eine Vielzahl von Personen mit dem gleichen Vorgang zu beschäftigen, darf ich Sie freundlich ersuchen, zukünftig solche Medienanfragen ausschließlich an mich als zuständigem Pressesprecher des DSQV zu richten. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass der DSQV öffentliche Stellungnahmen abgibt, wenn der interne Abstimmungsprozess erfolgt und abgeschlossen ist.“
Die demokratischen Strukturen von Vereinen und Verbänden sind ein Kernstück unseres Grundgesetztes, unserer freiheitlich, demokratischen Grundordnung. Die Aussagen der beteiligten Funktionäre sind – nach persönlicher Meinung des Verfassers – in diesem Kontext schwer zu verstehen.
Die Reaktion von Micheal Zehe, Manager des Wormser Bundesliga-Teams und langjähriger Förderer des deutschen Squash-Sports, nationaler wie internationaler Events (Deutsche Einzelmeisterschaften und Bundesliga-Endrunden) und Spitzenspielern, erscheint hingegen offener: „Meine Spieler werden beleidigt, tätlich angegriffen, und wehren sich lediglich mit ein paar belanglosen Worten. Anstatt den gastgebenden Verein und den Schiedsrichter nachhaltig zu bestrafen, bekommen meine Jungs Geldstrafen. Hätten die Verantwortlichen, von DSL und DSQV, Eier in der Hose gehabt, dann hätten Sie Brüggen abgestraft und das wär’s dann auch gewesen. Aber so was kann man natürlich einem Verbands-Vorstand nicht zumuten. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen, außer, dass ich zukünftig weder Deutsche Einzel- noch -Mannschaftsmeisterschaften finanziell als Sponsor begleiten werde. Ich bin diesen respektlosen Umgang der Verantwortlichen beim DSQV einfach leid.“
Bedarf es eines Fazits, noch einer persönlichen nichtoffiziellen Meinung?
Es wäre einfach den Bericht der Geschehnisse auf die Darlegung des Sachverhalts zu beschränken. Der geneigte Leser würde sich selbst ein treffendes Bild machen. Stattdessen möchte der Verfasser aber ein Szenario beschreiben, wie es seitens des Verbands hätte anders gelöst werden können. Dass der Schiedsrichter einen rabenschwarzen Tag gehabt haben muss, ist unbestritten. Das Jens Schoor und Tim Weber angesichts der Tatsache, sich als Gast in der Anlage des Gegners, den Anfeindungen des Schiedsrichters ohne die Unterstützung des verantwortlichen Oberschiedsrichters, zu ihrer Selbstverteidigung übers Ziel hinaus schossen, und dafür nach strikter Anwendung des Regelwerks, der Bundesliga-Ordnung und Rechts- und Verfahrensordnung, zur Rechenschaft gezogen werden können, ist wohl auch beides nachvollziehbar. Dass der Oberschiedsrichter und Spieltagleiter in Brüggen, Udo Thäsler selbst Vizepräsident des DSQV, mit seinem rechtzeitigen Einschreiten Spieler und Schiedsrichter hätte schützen können und damit auch dem Ansehen des Squash-Sports hätte dienen können, wird auch niemand abstreiten.
Allerdings könnte man fragen, warum die Nationalmannschaft, vertreten durch den Bundestrainer und den Vizepräsident Sport (Johannes Voit), in Zusammenarbeit mit dem restlichen Präsidium und der DSL nicht auf die Idee kamen, Jens Schoors und Tim Webers Verfehlungen, soweit man diese nicht wegen des Vorverhaltens des Schiedsrichters als entschuldigt oder gar gerechtfertigt sieht, zu begnadigen – das rechtliche Instrument dafür ist in den Ordnungen gegeben. Der DSQV-Vorstand hätte die Möglichkeit gehabt, Weitblick und Größe zu demonstrieren – und vor allem wäre dem Sorge getragen worden, worauf es wirklich ankommt: dem Squash-Sport und seinen Spielern!