Ashour und Dessouky im Skandal-Spiel von Kairo!
Die beiden verbleibenden Viertelfinal-Begegnungen der PSA World Championship sind gespielt und die Halbfinal-Paarungen stehen fest. Zu den Semifinalisten der oberen Hälfte, Mohamed Elshorbagy (EGY, WRL 1) und Karim Abdel Gawad (EGY, WRL 3), kommen Greg Gaultier (FRA, WRL 2) und Ramy Ashour (Bild re, EGY, WRL 10) in die Vorschlussrunde. Gaultier besiegte Tarek Momen (EGY, WRL 9) in vier Sätzen. Die Begegnung zwischen Ashour und Fares Dessouky (Bild li, EGY, WRL 18) wurde von den „Unparteiischen“ mitentschieden und ging nach Dessoukys Aufgabe mit 3:0-Sätzen an Ashour.
Ashour besiegt Dessouky – Schiedsrichter-Leistung indiskutabel!
Es gibt wohl weltweit keinen Squash-Fan, der sich nicht darüber freut, dass Ramy Ashour im Halbfinale der World Championship in seiner Heimatstadt Kairo steht. Es dürfte aber auch keinen Squash-Interessierten geben, der die Entscheidungen des Referees Roy Gingell (WAL) und seines Kollegen am Video-Screen, im Viertelfinale von Kairo nachvollziehen kann. Dessouky und Gingell scheinen sich nicht zu mögen, was sie auch nicht zu verbergen vermochten. Dass Sympathie aber zum Kriterium der Schiedsrichter-Entscheidungen wird, ist einer World Championship einfach nicht würdig. Dem Verfasser ist es ja selbst lästig, immer wieder die Referees so in den Vordergrund schreiben zu müssen. Aber die Leistung von Schiedsrichter Roy Gingell hat so dermaßen in den Spielverlauf und das Ergebnis eines WM-Viertelfinals eingegriffen, dass man von einem Skandal sprechen kann.
Der 29-jährige Ramy Ashour stand zum neunten Mal im Viertelfinale einer World Championship, sechs Mal kam er daraufhin ins Halbfinale, vier Mal ins Finale und drei Mal errang er den Titel. Sein 22-jähriger Kontrahent hingegen stand zum ersten Mal in der Runde der besten Acht einer World Championship. Der in Kairo geborene Ashour wird in Ägypten wie ein Rockstar verehrt. Dessouky stammt aus Alexandria, dem anderen, von den Kairoern ungeliebten Nachwuchs-Zentrum Ägyptens.
Im ersten Satz begann Dessouky farig. Zu groß schien die Bürde im eigenen Land gegen eine Legende im Viertelfinale einer Weltmeisterschaft zu stehen. Nach verlorenem ersten Satz fand der Herausforderer aber besser zu seinem Spiel. Der dreifache World Champion (2008, 2012, 2014) erspielte sich zunächst eine komfortable Führung, doch Dessouky gelang der Ausgleich. Er las das Spiel des „Artists“ gekonnt, bewegte sich trotz seines vorangegangenen harten Fünfsatz-Matches geschmeidig und schnell und setzte Ashour unter Druck, wie man es selten zu sehen bekommt. Beim Stande von 10:6 hatte Ashour vier Satzbälle die „Fearless Fares“, wie Dessouky von Framboise Gommedy (squashsite.co.uk) getauft wurde, allesamt abwehrte. Dessouky gelang es mehr und mehr seinem Gegner sein physisch anspruchsvolles Spiel aufzudrängen. Ashour konnte sich nicht, wie sonst so oft, durch seine überraschenden, teils unmöglichen Schlägen davon zu befreien. „Ich habe sein Spiel mitgespielt“, sagt ein verwunderter Ashour nach dem Match „ich werde noch analysieren müssen, warum er immer wieder zurück kommen konnte“. In dieser für den weiteren Verlauf des Matches wohl entscheidenden Phase fing das Malheur mit den beiden Schiedsrichtern an.
In Kairo wird in jedem Match ein Haupt- und einem Video-Referee eingesetzt. Das hat sich an und für sich auch bewährt. Schwierig wird es, wenn der Video-Ref die strittigen Entscheidungen des Haupt-Refs nicht adäquat hinterfragt – ihm stehen dazu ja technische Hilsmittel, nämlich die Video-Aufzeichnungen der jeweiligen Situation aus verschiedenen Perspektiven, zur Verfügung – ihn bestätigt, gegebenenfalls überstimmt und damit korrigiert. Weiter ist es äußerst fragwürdig, wenn der Unparteiische den Spieler mit verfehlten, weil überflüsigen „go to the ball, not to the opponent“-Aussagen abspeist, um damit seine von oberschullehrerhaftem Gebaren gesteuerten Fehlentscheidungen zu rechtfertigen. Klar, Dessouky hat es selbst versäumt einen seiner drei Satzbälle zu verwandeln. Allerdings ist es für die Psyche eines Spielers doppelt schwer, wenn er neben seinem Gegner im Court auch noch die Schiedsrichter gegen sich zu haben scheint. So gewann Ashour den 33 Minuten andauernden und hart umkämpften zweiten Satz mit 17:15 im Tiebreak und ging mit 2:0-Sätzen in Führung.
Im dritten Durchgang schienen die Vorfälle, aus dem vorangegangenem Satz, nicht spurlos an dem jüngeren der beiden Ägypter vorübergegangen zu sein, denn Ashour erspielte sich schnell eine 7:1-Führung heraus. Doch dann begann Dessouky mit dem Mute der Verzweiflung erneut Ashour enorm unter Druck zu setzen. Ihm gelang es auf 8:8 auszugleichen, trotz erneuter unverständlicher No-Let-Entscheidungen des Refs. Beim Stande von 9:8 bekam Ashour dann für eine gewöhnliche Let-Entscheidung überraschend den Punkt zugesprochen – Dessouky schaute mehr als ungläubig drein. Beim ersten Matchball für Ashour, wurde dann ein klares “Ball-An” für Desouky zu einem Let-Ball. Das war der Moment, als Dessouky den Tränen nahe, die Welt nicht verstehend, seinem Kontrahenten die Hand reichte und aufgab. Er hatte genug von den Entscheidungen der Schiedsrichter und verließ frustriert den Court.
Auf seiner Facebook-Seite entschuldigt sich Dessouky später bei Ashour für die vorzeitige Aufgabe. „Ich weiß das zeugt nicht von Sportsgeist, aber die Schiedsrichter- und Video-Entscheidungen, über das gesamte Spiel hinweg, brachten mich an einen Punkt, an dem ich dem Druck nicht mehr gewachsen war. Insbesondere das zuletzt verweigerte Ball-An machte mir deutlich, dass ich gegen Ramy und gleichzeitig aber auch gegen die Refs spielte, die mich mit ihren Entscheidungen zu bestrafen versuchten und mir jede Chance nahmen“, schreibt ein sichtlich berührter Fares Dessouky. Allerdings sei er dennoch mit seiner Darbietung zufrieden und entschuldigt sich auch bei seinen Fans und seiner Familie. Aber schießlich sei er erst 22 Jahre alt, lerne aus seinen Fehlern und werde mit zunehmender Erfahrung besser mit solchen Situationen klarkommen. „Ich habe eine Menge während diesen Turnieres gelernt und ich verspreche, ich werde stärker und erwachsener zurück kommen“. Bleibt nur zu Hoffen, dass auch andere Beteiligte aus ihren Fehlern lernen.
Gaultier überzeugt gegen Momen!
Gregory Gaultier ist der aktuelle World Champion. Im vergangenen Jahr in Bellevue (USA) besiegte er im Finale Omar Mosaad (EGY, WRL 4) und wurde nach Thierry Lincou (im Jahre 2004) zweiter World Champion aus Frankreich. Mosaad hatte im vorangegangenen Halbfinale von Bellevue Landsmann Tarek Momen ausgeschaltet. Momen stritt mit Gaultier in diesem Jahr in Kairo um den Einzug ins Halbfinale.
Der an Position zwei gesetzte World Champion begann stark. Momen spielte gut, konnte aber dennoch nicht verhindern, dass der Franzose die beiden ersten Durchgänge für sich entschied. Im dritten Satz warf der Ägypter nochmal alles in die Waagschale. Gaultier gelang es aber immer wieder sich mit zahlreichen, präzise gespielten Lobs vom Druck Momens zu befreien. Dennoch ging der dritte Satz in den Tiebreak und letztlich mit 16:14 an den Ägypter, der den 1:2-Anschluss nach Sätzen herstellte.
Die Zuschauer im Wadi Degla Club bekamen ein hochklassiges Spiel zu sehen, in dem Gaultier größtenteils spielbestimmend, Momen aber immer gefährlich nah dran war und gut hätte einen Entscheidungssatz erzwingen können. Doch Gaultier wusste dies zu verhindern. Mit präzisen, nicht allzu harten Grundschlägen und sehr guten Stopp-Bällen entschied er auch den vierten Satz für sich. Gaultier besiegt Tarek Momen mit 3:1-Sätzen. Er zieht damit in sein siebtes Halbfinale einer World Championship ein.
Sein Gegner wird also kein Geringerer als Ramy Ashour sein. Die bevorstehende Halbfinal-Begegnung ist einer der Klassiker der Squash-Welt. Ganze 35 Mal standen sich die beiden bisher als Gegner im Court gegenüber. 28 Mal hieß der Sieger Ashour. Zuletzt besiegte „The Artist“ den „French General“ im Halbfinale der British Open 2016 (Hull, England), der Netsuite Open 2015 (San Franzisco, USA), in El Gouna 2015 (El Gouna, Ägypten) und bei der Wold Championship 2014 (Katar). Der letzte Sieg des Franzosen war im Jahre 2014, im Halbfinale der British Open.
Die Halbfinal-Matches werden am Donnerstag, ab 19 Uhr deutscher Zeit, auf Eurosport Player live zu sehen sein. Bilder der gesamten Wadi Degla PSA World Championship 2016 sehen Sie in der iLoveSquash-Bildergalerie.